Die Tabuisierung und Stigmatisierung von Trauma in einer Gesellschaft, die im materiellen Überfluss lebt, ist meiner Meinung nach darin begründet, dass Gesundheit unvollständig definiert wird.
Wenn wir Wohlstand und Gesundheit nur an äußeren Werten bemessen, fehlt ein ganz wesentlicher und großer- vielleicht sogar größerer Teil: unsere seelische Gesundheit.
Eine Gesellschaft, die Jungs dazu erzieht, Sensitivität zu unterdrücken und Mädchen dazu erzieht, alleine klar zu kommen, ist eine Gesellschaft, die einen Mangel an Empathie und einen Mangel an Zusammenhalt fördert.
Ich will weder selbst in so einer Gesellschaft leben noch dass meine Kinder in so einer Gesellschaft leben.
Jungs sind genauso sensitiv wie Mädchen. Männer sind genauso sensitiv wie Frauen.
Wenn Männer sensitiv sind, finden sie Kompromisse und Lösungen anstatt Gewalt zu wählen und den Kampf (Krieg)zu suchen (Aktive Aggression/Versuch, Angst loszuwerden/klappt aber nicht gut, wie wir sehen).
Wenn Frauen sensitiv sind, wirken sie verbindend und innovativ anstatt zu manipulieren und zu konkurrieren (Passive Aggression/Versuch, Angst loszuwerden/klappt aber nicht gut, wie wir sehen).
Wenn Männer (wieder) sensitiv sind, wird die Gewalt abnehmen. Wenn Frauen nicht (mehr) alles alleine hinbekommen müssen, werden sie verbinden statt konkurrieren.
Eine gesellschaftliche Programmierung wird dadurch verändert, dass ZUHAUSE was verändert wird. Nicht der Staat, nicht das Schulsystem, nicht die Politik, nicht der Chef, nicht die Gesellschaft ist verantwortlich - sondern du und ich. Wir selbst. Jeder und jede erwachsene einzelne*r. Für uns, für unsere Partner*innen, für unsere Kinder.
Traumaheilung ist eine kollektive, gesellschaftliche Notwendigkeit und kein Luxus.
Ja, über ein Drittel der Menschheit hat es noch viel viel schlechter. Was ist das denn für ein Argument?
Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig Aufmerksamkeit, Sicherheit, Dazugehörigkeit, Bestätigung und Verbindung für eine gesunde Identität ist.
Diese essentiellen Bindungs-Bedürfnisse sind wichtiger als die Bedürfnisse nach Nahrung, einem Zuhause und materiellen Gütern.
(Wenn dich mehr interessiert, forsche doch mal nach: Bindungstypen nach John Bowlby, Bondingtherapie nach Margaret Paul)
Es reicht nicht aus, immer essen zu haben, ein eigenes Zimmer mit genug Spielsachen zu haben und so weiter.
Bei einem deutlichen Mangel an Aufmerksamkeit, Sicherheit, Dazugehörigkeit, Bestätigung und Verbindung durch die primären Bezugspersonen (vor allem in den ersten drei Lebensjahren, aber natürlich auch darüber hinaus während der ganzen Identitätsentwicklung) wird im Nervensystem derart viel Stress freigesetzt, dass eine gesunde Persönlichkeits-Entwicklung äußerst schwer ist.
Schuldzuweisungen und Schamgefühle, Überkompensationen wie Perfektionismus und People Pleasing, seelische und körperliche Probleme und Krankheiten sind alle - bis auf die 1% ! genetisch bedingten Krankheiten - Ausdruck von einer frühen Bindungsstörung, Dauerstress und Trauma.
Nein sagen und Ja sagen.
Um Hilfe bitten und Schutz suchen. All das geht nur, wenn es keine bedrohliche Assoziation mit Bindungen gibt.
Traumata im Laufe des Lebens geschehen auch oder vor allem, weil die Bindung zu einer Vertrauensperson schon vorher nicht vorhanden war und nein sagen, sich wehren und Hilfe und Schutz einfordern schon VOR dem traumatischen Ereignis nicht möglich war.
Somatische Traumatherapien ermöglichen über die Neuroplastizität und die Bioplastizität eine Nervensystem-Regulierung, eine Nervensystem-Heilung und eine Rekreation der Identität.
Oldschool Traumatherapie, die ausschließlich verbale Sprache und psychologische Methoden verwendet, ist gar keine Traumatherapie. Sie nutzt weder die Neuroplastizität noch die Bioplastizität. Denn Trauma ist im Körper gespeichert und kann auch nur über den Körper gelöst werden.
Je mehr heile Menschen es gibt, desto heiler wird die Welt.
Verletze Menschen verletzen Menschen.
Heile Menschen heilen Menschen.
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